Mythos

Das Element Wasser nimmt in beinahe allen Kulturen und Religionen einen zentralen Stellenwert ein. Es ist nicht nur lebensnotwendig im physischen Sinn, es steht auch symbolisch für das geistige Leben und Überleben sowie die geistige Fruchtbarkeit des Menschen und wird sogar in Verbindung mit der Erschaffung der Welt gesehen. Flüsse und Quellen wurden und werden deshalb in vielen Religionen als heilige Orte angesehen. Inzwischen haben Naturwissenschaften und Technologien  weltweit alle unsere Lebensbereiche gravierend umgestaltet. Dennoch spielt das Wasser nach wie vor eine große Rolle in unserem Leben und spricht auf vielfältige Art unsere Emotionen an.

Arnold Böcklin, Meeresidylle, 1887, Inv. Nr. 432

Der Schweizer Maler Arnold Böcklin stellte oft mythologische oder phantastische Figuren als Verkörperungen  ursprünglicher  Naturkräfte dar. Besonders Wasserwesen galten für ihn als Symbole des Lebens, hatte sich doch alles Leben im Sinne der Evolutionstheorie aus dem Wasser entwickelt. Selbstvergessen und voller Lebensfreude tummelt sich eine Familie von nassglänzenden Meeresgestalten  im brausenden Spiel der Wellen. Sowohl das ewige, wilde  Auf und Ab der Wellen wie auch die Grenzenlosigkeit des Meeres verdeutlichen die ungebundene Freiheit der von der menschlichen Zivilisation noch unverdorbenen Naturwesen.

Edvard Veith, Nymphen am Brunnen, 1905, Inv. Nr. 5847

Drei Nymphen haben sich in zauberhaft idyllischer Landschaft  an einem Wald-Brunnen zusammengefunden.  Nymphen gelten als weibliche Zauberwesen der Natur,  treten meist in Form lieblicher Mädchengestalten auf und leben vorwiegend  an Flussquellen. So wie das Wasser eine einerseits fruchtbare, lebensspendende und gleichzeitig zerstörende, lebensbedrohliche  Wirkung hat, so  werden auch den Nymphen neben ihrem wohltuenden Einfluss auf Mensch und Tier stets auch gefährliche, magische Kräfte zugeschrieben.

Gustav Klimt, Wasserschlangen I. 1904/07, Inv. Nr. 5077

Vieles an diesem Bild ist ungewöhnlich und rätselhaft. Zwei nixenartige junge Frauen mit angedeutetem Fischunterleib umarmen einander in einer geheimnisvollen Unterwasserwelt. Gustav Klimts Idee war es, Sinnbilder des Lebens mit Hilfe von Ornamenten und Symbolen darzustellen und durch Goldauflagen kostbar zu gestalten. So finden sich die Form der Spirale als Symbol für die Schöpfung ebenso wie kreisförmige und dreieckige Ornamente, die das weibliche und männliche Prinzip  versinnbildlichen. Gleichzeitig zeigen sich aber auch Verführung und Tod in  der erahnbaren körperlichen Intimität der beiden Wasserwesen und ihrer totenbleichen  Haut.

Fernand Khnopff, Unbewegtes Wasser, 1894, Inv. Nr. 7753

Ein stiller Teich liegt auf einer Lichtung inmitten einer Waldlandschaft. Nichts regt sich, kein Windhauch kräuselt die Wasseroberfläche, die die Spiegelungen von Himmel und Bäumen klar und deutlich reflektiert.  Doch interessierte den belgischen Künstler nicht die realistische Wiedergabe von Natur. Die eigentliche Aussage des Bildes liegt hinter der sichtbaren Realität. Wasser, meist in Form stehender Gewässer,  gilt bereits in uralten Mythen  als Spiegel der menschlichen Seele. In der Psychologie steht Wasser oft als Symbol für das Unbewusste und verweist auf verborgene Wünsche oder versteckte Triebe.

Martino Altomonte, Susanna und die beiden Alten,  1709, Inv. Nr. 4243
Eine junge Frau, die eben in einem Wasserbecken gebadet hat,  wehrt sich verzweifelt gegen die Zudringlichkeiten zweier Männer. Es ist Susanna, eine Figur aus dem Alten Testament, bekannt als überaus keusch und gottesfürchtig. Die beiden Alten stellen sie vor die Wahl: Entweder sie gibt sich ihnen hin, oder sie wird von ihnen des Ehebruchs bezichtigt. Doch Susanna bleibt standhaft. So wird sie zur Bibelheldin und zum Inbegriff weiblicher Tugend. Das Wasser, das der jungen Frau zur körperlichen Reinigung diente und gleichzeitig auch für ihre seelische Reinheit und damit Unschuld steht, wird  im Zusammenhang mit den beiden alten Männern zum Symbol für dunkle, unehrenhafte Begierde.
August Renoir, Nach dem Bade, 1876, Inv. Nr. 1055
Die junge Frau, die hier so versonnen und ein wenig melancholisch aus dem Bild blickt, war im Kreise impressionistischer Maler ein beliebtes Modell. Lange Zeit hindurch wurde das Körper, Geist  und Seele reinigende Ritual des Badens nur zu besonderen Gelegenheiten vollzogen. Badezimmer, wie wir sie kennen, eine Errungenschaft des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts, haben den flächendeckenden Bau von Wasserleitungen und Abwasserkanälen zur Voraussetzung. Achtlos rauschen heute täglich unzählige Liter von kostbarem Trinkwasser durch Toiletten, Badewannen, Wasch- und Küchenbecken und täuschen darüber hinweg, dass sauberes Wasser auch bei uns knapp wird.

11.07.2020

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